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*Rosenthaler Kadarka und geschmorter Broiler*
Dreizehn Restaurants, Bars und Kneipen vereinte der Palast der Republik
unter seinem Dach.
Mit 1452 Plätzen (im Sommer kamen noch 322 Terrassenplätze hinzu) war
das Haus am Berliner Marx-Engels-Platz auch gastronomisch ein
Anziehungspunkt. Vor allem die drei großen Restaurants im 2. Geschoss
erfreuten sich großer Beliebtheit -- Lindenrestaurant, Palastrestaurant
und Spreerestaurant.
Schon kurz nach der Eröffnung notierte ein Zeitungsreporter: "Die Köche,
Serviererinnen und Kellner betreuen im Durchschnitt 7000 Gäste. 2500
warme und kalte Speisen, 1300 Liter Bier, 2400 Tassen Kaffee, 2500
Eisbecher und 175 Torten werden serviert -- Ziffern, hinter denen solide
Leistungen stehen". Hinter diesen Leistungen wiederum standen die 600
Mitarbeiter der so genannten Zentralküche im Keller des Hauses.
Wolfgang Linne war von 1976 bis 1990 Cheffleischer im Palast der
Republik und erinnert sich: "Das Personal kam aus dem gesamten Land. In
unserer Patisserie arbeiteten zum Beispiel fast nur Sachsen, weil die
traditionell die besten Kuchen und Torten herstellen können. Das
Speiseeis, dass sie da in 20 Geschmacksrichtungen produzierten, war das
beste in Berlin.
Ich hatte als Fleischermeister zehn Mitarbeiter. Dass wir im Palast eine
eigene Fleischerei hatten, lag daran, dass man damals nicht einfach ein
paar Tausend Steaks im Großhandel bestellen konnten, sondern ganze
Schweinerücken oder Schweinekämme angeliefert wurden.
Täglich waren das an normalen Tagen um die drei Tonnen Fleisch. Im
Durchschnitt lieferten wir der Küche 3000 Steaks pro Tag, sowie Hunderte
Kilo Wild und Geflügel. Sehr beliebt war auch unsere Bratwurst nach
Thüringer Art."
Erhalten geblieben sind Speisekarten aus dem Palast der Republik, z.B.
die vom 5. Dezember 1985. An jenem Tag stand das Lindenrestaurant im
Zeichen des "Russischen Winters" und die Menükarte erklärte: "Groß ist
die Vielfalt der Nationalgerichte der Sowjetunion. Doch die russische
Küche hat auch vieles aus anderen Ländern aufgenommen -- unzählige
französische, türkische, griechische, persische, mongolische,
chinesische und koreanische Speisen". Dieser kosmopolitische Überbau
erlaubte an jenem Dezembertag überraschende"Spezialitäten der sowjetischen Völker", wie
- Geschmorter Broiler mit Stachelbeersoße und Apfelscheiben 6,55 M,
- Ukrainische Schweinshaxe und Sauerkraut mit Dillrahm und
Kräuterkartoffeln 6,90 M
oder
- Leningrader Pfefferfleisch mit Edelchampions in Rahm und pommes frites
13,00 M.
Das Angebot jenes Tages war durchaus typisch für die Palastrestaurants.
Der Molekularbiologe und Bürgerrechtler Professor Jens Reich erinnert
sich Jahre später in der ZEIT: "Man konnte DDR-fein essen, Typ
Soljanka-Suppe, danach Schweinslendchen mit Pommes und Letschogemüse,
als Dessert Ananaskompott".
Ina Mrozeck arbeitete in den 80er Jahren als Kellnerin im Palast der
Republik und bestätigt, woran sich der Bürgerrechtler erinnert: " Das
allerbeliebteste Essen war das "Braumeister"- Steak für 7,35 Mark, also
Schweinerücken gefüllt mit Goudakäse und Kassler und dazu Erbsen und
Pommes. Das war schon ein typisches DDR-Essen -- richtig viel Fleisch!
Die Leute sind auch sehr gern zu Familienfeiern in die Palastrestaurants
gekommen, zu Hochzeiten und zu Jugendweihen. An der Familientafel saß
dann oft auch der Besuch aus dem Westen. Überhaupt hatten wir viele
Gäste aus dem Westen. Wenn man die nicht schon an ihrer Kleidung erkannt
hatte, dann kriegte man es spätestens beim Bezahlen mit. Die gaben
nämlich, anders als die Ostdeutschen, nur ganz wenig Trinkgeld und
zahlten stets getrennt."
Auf den Getränkekarten der Palastrestaurants stand alles, was dem
ostdeutschen Gaumen seinerzeit als erlesen galt und das musste, wenn es
um Wein, Wermut oder Sekt ging, vor allem lieblich schmecken -- vom
rumänischen Dessertwein Marke Murfatlar bis zum bulgarischen Rotwein der
Sorte Rosenthaler Kadarka. Letzterer war der Lieblingswein der
DDR-Bürger und im Alltag genauso schwer zu bekommen, wie das Radeberger
Pilsner, das aus den Zapfhähnen des Palastes lief. Ein kleines Bier
kostete bis zum Schluss unverändert 70 Pfennige.
Ausgesprochen beliebt waren Gläser, Besteck und Geschirr aus den
Palastrestaurants. Jedes Teil war mit den schwungvollen Initialen P d R
verziert, und manches landete nach dem Essen als Souvenir in den Taschen
der Gäste, statt auf dem Tablett des Kellners. Das Servierpersonal hatte
wohl Order, geflissentlich hinwegzusehen über diese sehr volkstümliche
Auslegung des Begriffs Volkseigentum.
Täglich müssen ganze Wagenladungen Gläser und Geschirr nachgeliefert
worden sein.
Bei anderem Inventar scheiterte der Souvenirjäger am Gewicht. Die
gusseisernen Lehnstühle aus der Weinstube, mit ihren schicken grünen
Sitzkissen, waren schlicht zu schwer und zu sperrig, um sie unbemerkt
mit nach Hause zu schmuggeln. Die kleine Weinstube erreichte man übrigens vom Uferweg auf der Spreeseite. Hier im Untergeschoss an der
Rückseite des Palastes gab es außerdem eine kleine Berliner Bierstube
und eine Bowlinganlage. Die acht Bahnen des /Spreebowling/ waren oft für
Monate ausgebucht, da es im ganzen Land nur eine Handvoll solcher
Anlagen gab.
Vorbestellen galt auch für die Disco im Untergeschoss. Der /Jugendtreff
/hatten Platz für etwa 250 Tanzlustige, Billardtische, Spielgeräte und
-- Mitte der 70er Jahre der absolute Clou -- eine hydraulisch
höhenverstellbare Tanzfläche.
Auch Matthias Platzeck, der spätere SPD-Vorsitzende und
Ministerpräsident des Landes Brandenburg, hat den Palast der Republik in
den 70er und 80er Jahren so manches Mal besucht und erinnert sich: "Was da angeboten wurde, konnte jedem Vergleich standhalten: kostenloser
Eintritt, familienfreundlich, es war immer ,etwas los', und alles war
erschwinglich. Das galt übrigens auch für die 13 Restaurants --
Geheimtipp waren für mich das Weinrestaurant und die Berliner Bierkneipe
auf der Spreeseite. (Ost)-Berliner werden sich vielleicht erinnern: Wenn
im Stadtzentrum mal wieder Tristesse angesagt war -- der ,Palast' war
häufig die letzte Rettung. Erstklassige Konzertaufführungen, der einst
beliebte ,Kessel Buntes', Theater im Palast':... für manchen die erste
Begegnung mit der Kunst."
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